Dalmatinerstandard und richterliche Beurteilung…
…aus der Sicht einer international erfahrenen Spezialrichterin
Den nachfolgenden Artikel zu einem wichtigen Thema hat mir Frau Gisa Schicker zur Veröffentlichung überlassen. Frau Schicker ist Allgemeinrichterin und Mitglied in der Richterkommission des VDH. Sie ist darüber hinaus Spezialrichterin des Deutschen Dalmatiner Club von 1920 e.V.. Sie hat in vielen Ländern die Dalmatiner gerichtet und verfügt damit über einen hervorragenden Überblick über die Rasse und ihre Besonderheiten. Ihre Beobachtungen kommen dabei in ihrem Bericht in besonderer Weise zum Ausdruck.
Josef Fertig
„Die Bedeutung der Standardvorgaben im Hinblick auf die Bewertungsanforderungen an den Formwertrichter bei der Beurteilung des Dalmatiners im Ausstellungsring.“
Nachfolgende Überlegungen, Anregungen und Diskussionsbeiträge für Formwertrichter, Züchter und Liebhaber des Dalmatiners, resultieren aus Beobachtungen und Auffälligkeiten im Zusammenhang mit meinen internationalen Richtertätigkeiten.
Liebe Dalmatinerfreunde,
aus vielen Gründen ist es gut, dass wir die FCI-Standards haben, denn schon ihre über 100jährige, in ihren Grundzügen nicht angetastete Existenz widerlegt die häufig erhobenen Bedenken und Vorwürfe, dass die gegenwärtigen Populationen der Rassehunde überzüchtet und aus diesem Grunde auch nicht lebensfähig sein.
Zuständig für den jeweiligen Standard ist allein das Ursprungsland der Rasse, das den Standard der FCI-Standardkommission zur Begutachtung vorlegt, die ihrerseits die Übersetzungen in die vier Amtssprachen der FCI vornimmt (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch).
Der somit von der FCI anerkannte und für alle FCI-Mitgliedsländer weltweit verbindliche Standard gilt daher für alle Richter und ebenso auch für Sie als Züchter und Funktionäre, er stellt sozusagen die gemeinsame Grundlage für alle kynologischen Aktivitäten dar.
Liebe Dalmatiner-Freunde – auch wenn der einzelne Richter nicht unbedingt mit allen Details und Anforderungen des Standards einverstanden oder deutlich anderer Auffassung ist, muss er sich bei seiner Urteilsfindung dennoch uneingeschränkt an die Standardvorgaben halten.
Die ausdrückliche Aufzählung negativer Merkmale und ihre Zuordnung zu „Fehler“, „Schwere Fehler“ und „Ausschließende Fehler“ am Ende der Standards hat sich als sehr nützlich erwiesen, zumal man damit FCI-weit einer einheitlicheren und damit gerechteren Beurteilung wesentlich näher kommt. Die unter „Fehler“ als Standardabweichungen zitierten Mängel sollten unserer Meinung nach zu einer Herabsetzung der Formwertnote um eine Stufe führen. Ein mit einem „Schweren Fehler“ behafteter Hund lässt keine andere Beurteilung als „Gut“ zu, während Hunde mit einem“ Ausschließenden Fehler“ nur noch mit „Genügend“ oder „Disqualifiziert“ bewertet werden können.
Kommen wir nun zu unserer eigentlichen Tätigkeit im Ausstellungsring und einigen wir uns vorab darauf, dass wir das Wort „richten“ als eine komplexe Tätigkeit verstehen wollen, um somit ein Bild vom Abwägen und Bewerten unterschiedlicher Faktoren auf der Basis von den im Standard vorgegebenen Forderungen an die jeweilige Rasse zu gewinnen. Der so genannte „Blick“ für den rassetypischen Hund, Sicherheit in der Interpretation des Standards, Einschätzung der Gesundheit im Zusammenhang mit Typ, Konstitution, Kondition und Verhaltensweise sind unabdingbare Voraussetzungen für erfolgreiche und damit den Rassen dienliche Ausübungen des Richteramtes. Ein Richter muss stets im Bewusstsein seines immensen Einflusses auf die Zucht agieren, er trägt eine nicht zu unterschätzende Verantwortung für die Rasse. Er ist nicht nur als „Wertnotenverteiler“ tätig, sondern er sollte – was viel wichtiger ist – abträgliche Modetendenzen und Übertypisierungen erkennen, ahnden und sein Augenmerk vornehmlich auf das Normale, biologisch Funktionale, Verantwortbare richten.
Erkennen erst einmal die Züchter, dass einzelne Richter bestimmte Übertreibungen akzeptieren oder gar mögen, werden einige von ihnen bemüht sein, jenen Richtern zu gefallen und mehr derartig aussehende Hunde züchten. Ein Beispiel dafür ist, dass manche der falschen Vorstellung „Je größer desto besser“ im Glauben folgen, dass die Hunde deswegen automatisch viel beeindruckender wirken müssen. Ein Fehlschluss, weil feststeht, dass dadurch die so charakteristische, wertvolle und bewährte Gebrauchstüchtigkeit des „großen Hundes“ deutlich Schaden nehmen muss. Zu jeder Rasse legten die FCI – Standards auch Größen fest, welche unbedingt eingehalten werden sollten.
Im Gegensatz zur „Größenübertreibung“ finden sich leider auch überfeinerte, feingliedrige Dalmatiner mit zu langen und zu schlanken, häufig steil aufgesetzten Hälsen. Diese übertrieben schlanken Hälse stören nicht nur das Gesamtbild eines kompakt gebauten Hundes, sondern sind leider auch oft gekoppelt mit Schmalbrüstigkeit, engem Frontstand und mangelhaft entwickelter Vorbrust.
Wer mit seinem Hund an einer Ausstellung teilnimmt, möchte auch siegen. Erfolgreiches Abschneiden wiederum setzt voraus, dass der Hund in bester physischer Kondition und somit in optimaler äußerer Erscheinung präsentiert wird. Entscheidend also ist, dass sich der Hund zum richtigen Zeitpunkt sowohl im Stand als auch in der Bewegung von seiner besten Seite zeigt und zudem gekonnt vorgeführt wird.
Die Hunde von außerhalb des Ringes zu richten scheint zunächst einfach, aber die tatsächlich komplexe Tätigkeit des Formwertrichters gestaltet sich deutlich komplizierter innerhalb des Ringes. Zu entscheiden, welcher Hund in der vorgestellten Konkurrenz der Beste seiner Rasse ist, erfordert zu allererst detaillierte Kenntnis des Rassestandards und seiner Geschichte, ebenso wie die Anwendung einer gewissenhaften und systematischen Überprüfungstechnik der für die jeweilige Rasse einzelnen Details und Charakteristika – Dinge, die man von außen wohl kaum zu bewältigen in der Lage ist. Ablauf und Methode des Richtens mögen für den ein oder anderen Aussteller und Rasseliebhaber zunächst verwirrend erscheinen, und er wird zudem die Entscheidungen des Richters manchmal als inkonsequent oder gar widersprüchlich empfinden. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass einige Richter Perfektion in speziellen Punkten suchen und dabei vergesseen, den Hund als komplexes Ganzes, als ausdrucksvolles Lebewesen zu betrachten. Freilich, der absolut perfekte Hund muss noch geschaffen werden, und ihn wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben! Dennoch, einige Tiere kommen den Standardforderungen deutlich näher als andere! Diese können durch ihre Gene und einen glücklichen und erfolgreichen Zuchteinsatz eine Art Starposition in ihrer Rasse – und weit darüber hinaus – in der Ausstellungswelt erreichen. Eine derartig erworbene „Berühmtheit“ übt nachweislich nicht selten einen enormen Einfluss auf die Zukunft und Weiterentwicklung der gesamten Rasse aus, dies nicht nur wegen des häufigen Zuchteinsatzes des bekannten Siegerhundes, sondern auch wegen der verstärkten Neigung mancher Züchter, auf eben diesen Typ hin zu selektieren. Diese Umstände verlangen zwingend, dass Züchter und Richter das Auge so schulen und trainieren, damit Gesundheit / Soundness, Ausgewogenheit / Harmonie und (Ausstellungs)-Konditon in ihren überragenden Bedeutungen erkannt werden.
Gesundheit im weitesten Sinn muss die uneingeschränkt wichtigste Grundlage für die Beurteilung aller Hunderassen, also auch der Dalmatiner – sein.
Ausgewogenheit sollte unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden: „Visuelle“ Ausgewogenheit bezieht sich auf das Verhältnis einzelner Teile des Hundes zueinander. „Statische“ Ausgewogenheit beinhaltet die Struktur, die es dem Hund ermöglicht, ohne große Anspannung still zu stehen, während die „kinetische“ Balance es den Hunden erlaubt, sich ohne abträglichen Stress zu bewegen, zu traben oder zu galoppieren.
Unter (Ausstellungs)-Kondition versteht man die augenblickliche Körperverfassung des Hundes, die von „mager“ über „normal“ bis „verfettet“ reichen kann. Bitte verwechseln Sie nicht Kondition mit Konstitution. Konstitution ist die jedem Individuum eigene, ererbte und auch durch Umwelteinwirkungen beeinflussbare körperliche Verfassung, die bei allen Rassen zu beobachten ist. Überall findet sich der kräftige, grobe, der feine und der zarte Konstitutionstyp. Daher suchen wir im Ausstellungsring zu allererst nach dem ausgeglichenen Hund mit normalen Rasseproportionen, ohne übertriebene Einzelheiten.
Wenn die Hunde im Ring erscheinen, müssen die Rüden auf Anhieb maskulin, die Hündinnen feminin wirken. Besonders die Köpfe sollten das jeweilige Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen und zugleich mit den dazugehörenden Körpern harmonieren.
Ich sah schon den ein oder anderen kleineren, eher zierlicheren Kopf bei Rüden, die ihrerseits einen schweren, äußerst substanzvollen Körper besaßen – genauso wenig passt ein gewaltiger, kräftiger Kopf zu einer leichter gebauten Hündin von überfeinerter Gesamterscheinung.
Bei der Gangwerkskontrolle sollte jeder Aussteller seinen eigenen Bewegungsablauf, die Schrittlänge und Geschwindigkeit so bestimmen, dass das Gangwerk seines Hundes optimal zur Geltung kommen kann. Besonders die Vorführung der Dalmatiner in verschiedenen Klassen war meist beeindruckend: die Hunde wurden so geschickt präsentiert, dass deren Stärken optimal hervorgehoben und vorhandene Schwächen korrigiert wurden, bzw. in den Hintergrund traten. Mir fielen keine schwerwiegenden Probleme im Zusammenhang mit der Haltung und Form der Behänge, mit der Tüpfelung und der nicht immer gewünschten Form der Augen (rund) und auch den Gebissen auf. Einige Dalmatiner hatten nicht den idealen flachen Schädel, oder / und er war zu schmal / breit zwischen den Behängen. Andere, wiederum, zeigten leichte Faltenbildung am Kopf, auch in entspannter Haltung.
Ferner möchten wir Sie gezielt darauf hinweisen, dass der Hals ziemlich lang und keineswegs zu dick sein sollte – von loser Kehlhaut ganz zu schweigen. Zu kurze Hälse sind sehr oft kombiniert mit steil gelagerten Schulterblättern. Kaum ein gezeigter Dalmatiner war absolut überzeugend im Brustbereich. Die Vorbrust sollte von der Seite gesehen sichtbar und von vorn betrachtet gut ausgefüllt sein.
Bitte achten Sie auch verstärkt darauf, dass kompakte Pfoten mit gut gewölbten und eng aneinander liegenden Zehen verlangt werden und die Ballen fest und elastisch sein sollen. Schlechte Pfoten, wie Hasenpfoten, flache, oder Spreizpfoten tauchen leider immer öfter auf.
Der Dalmatiner ist entsprechend seiner Entwicklungsgeschichte zweifellos ein Laufhund (früher ein Kutschen-Begleithund) und Kriterien, die sich im Standard ausdrücklich darauf beziehen, müssen Vorrang vor oberflächlichen Details haben.
Sehr wohl, die Tüpfelung ist ein Markenzeichen der Rasse und darf in der Gesamtbeurteilung keineswegs vernachlässigt werden – aber Einfluss auf die Fähigkeiten und Funktion als Laufhund nimmt der Dalmatiner dennoch durch schlechte Tüpfelung nicht.
Sie werden sicher alle beipflichten, dass ein Laufhund auf festen Füßen stehen muss, denn feste Pfoten mit elastischen Ballen schlucken problemlos jede Geländeunebenheit und gleichen die unterschiedlichste Bodenbeschaffenheit bei jeder Berührung aus. Somit sind wir erneut beim Gangwerk. Für mich stellt die Gangwerksbeurteilung so etwas wie „die Stunde der Wahrheit“ dar, zumal hier der routinierteste Handler – anders als im Stand – nichts an seinem Hund verbergen kann. Der ideale Bewegungsablauf hängt von der korrekten Vorder- und Hinterhandwinkelung im Zusammenspiel mit der Stärke und Festigkeit der Bänder, Sehen, Muskeln und der gesunden Körperkonstruktion schlechthin ab. Die Vorderhand muss in der Lage sein, den Schub mühelos umzusetzen, wobei vorausgesetzt wird, dass die Rippenstruktur den Läufen freien und unbehinderten Schwung gestattet. Aufgabe des Rückens ist, die Kraft von hinten nach vorn ohne Verschleiß zu übertragen. Bänder, Muskeln und Sehnen kontrollieren die Bewegungsrichtung der Glieder, so dass keine Energie durch ein- oder auswärtsdrehende Bewegungen der Läufe verschwendet wird.
Ein Hund mit schlechter Vorder- und Hinterhandwinkelung gleichermaßen, wird in der Bewegung besser aussehen als einer mit unausgeglichenen Winkelungen. Klar, die Bewegung wird dennoch weder genügend Schub noch angemessenen Vortritt aufweisen, denn beides, sowohl statische als auch kinetische Unausgeglichenheit, führen zu Ermüdung und Stress. Übertriebener Schub als Folge von überwinkelter Hinterhand bewirkt, daß der Hund die Vorderläufe unverhältnismäßig hoch hebt, um eine Kollision mit den Hinterläufen zu vermeiden, oder er entwickelt eine seitwärts gerichtete krebsartige, abgehackte Bewegung (läuft versetzt).
Wichtige Beurteilungskriterien, wie Kopfhaltung, Schrittweite, Schub und Vortritt, Oberlinie, Rutenansatz, Rutenhaltung und die Proportionen allgemein, lassen sich bestens durch eine Seitenansicht beobachten, was Grund für das Kreislaufen ist.
Was die Rute und Rutenhaltung angeht, so finden Sie klare Ausführungen dazu im Standard. Ich möchten darauf hinweisen, dass zu hoch getragene Ruten, die sich über den Körper wölben, das Profil der Oberlinie ruinieren und beim Laufhund absolut unerwünscht sind. Die Rute stellt eine natürliche Verlängerung des Rückens dar und sie hat die Aufgabe, die Balance zu unterstützen, wenn der Dalmatiner z.B. schnelle, scharfe Drehungen vollführt.
Lassen wir niemals außer Acht, der Dalmatiner ist ein gesunder Hund ohne Übertreibungen, wenn Richter aber einmal Übertreibungen akzeptieren, tragen sie unweigerlich dazu bei, dass die Rasse Schaden nimmt.
Die Züchter sind die Bewahrer der Rasse der Dalmatiner, dennoch ist es zweifellos die Aufgabe der Richter, die Hunde ausschließlich nach dem Standard zu beurteilen und keineswegs so, dass die Standardinterpretationen den existierenden Hunden angepasst werden.
Züchter, Richter, Vereinsfunktionäre auf allen Ebenen und Rasseliebhaber müssen gemeinsam dazu beitragen, dass die gesunden, rassetypischen und wertvollen Eigenschaften des Dalmatiner, dieser wunderbaren Rassen mit klaren Umrisslinien, unverfälscht erhalten bleiben.
Wir alle müssen dazu beitragen, dass der gesunde Rassetyp und die wertvollen Charaktereigenschaften des Dalmatiner, dass dieser agile und athletische Hund mit klaren Umrisslinien und ohne Neigung zu Massivität erhalten bleibt. Erinnern wir uns daran, wofür die Dalmatiner gezüchtet wurden. Nicht zu groß und zu schwer in den Knochen und der Struktur, so dass sie die geforderte athletische Fähigkeit zu laufen, sich zu drehen und zu wenden leicht ausüben können, aber dennoch nicht so leicht, dass es ihnen an Ausdauer und Durchhaltevermögen mangelt.
Betrachten wir alte Bilder und Ölgemälde von von Dalmatinern, und vergleichen diese einmal mit einigen Fotos in Anzeigen und Inseraten von heute, dann werden wir warnend daran erinnert, dass die Schöpfer der Rasse einen nirgendwo übertriebenen Hund mit großer Ausdauer brauchten, einen Laufhund, der die Kutschen im schwierigen und unwegsamen Gelände über lange Strecken begleiten konnten..
Auf einige Auffälligkeiten möchte ich nun noch hinweisen:
Modetrends, Übertypisierungen wie Backenansatz, zu schmaler, runder Oberkopf, mandelförmige Augen, kurzer Fang, überwinkelte Hinterhand, Übergröße, all diese Trends sind hoffentlich nur vorübergehende Erscheinungen. Wir beobachteten auch zunehmend eine enge Hinterhand, paddeln, Schwächen in den Vorderfußwurzelgelenken, zu helle, kleine Augen, zu wenig anliegende Lefzen mit Pigmentschwäche, über den Rücken getragene Rute (zu kurze Kruppe).
Übrigens, an einem schmächtigen, zu kurzen Unterkiefer kann sich kein starker Kaumuskel ansetzen. Wir kennen den spitzen Fang, flacher Unterkiefer – der Hund wird in seinem Ausdruck hässlicher und verliert damit stark in seinem allgemeinen Erscheinungsbild.
Fest steht, dass die Veranlagung von fehlenden Zähnen vererblich ist und im Laufe der Zeit leisten wir – ob wir wollen oder nicht – damit Unterkiefer-Fehlbildungen Vorschub. Jeder Genetiker wird bestätigen, dass, wenn nicht auf Vollständigkeit des Gebisses geachtet wird, alle Zuchttiere genetisch die Veranlagung für unvollständige Gebisse tragen – natürlich auch jene Tiere, die im Phänotyp ein komplettes Gebiss aufweisen! Die Dalmatiner sollen ein Scherengebiss haben, diese Forderung beinhaltet auch ein Gebiss, einen Zahnstatus der Größe des Hundes entsprechend. Zur Zeit sieht man sehr viele Dalmatiner mit zu kleinen Zähnen, mit unregelmäßigen unteren Schneidezahnleisten.
Alles in allem sehen wir in den Ringen dennoch auch sehr typvolle, wesensfeste Hunde mit viel Ausstrahlung.
Auch wenn „Wesen“ und „Charaktereigenschaften“ in den Standards meist nur mit einigen Zeilen abgetan werden, dürfen wir uns als Formwertrichter nicht nur mit dem Exterieur des Rassehundes beschäftigen, sondern sehr bedeutungsvoll ist auch die angemessene Einschätzung des Verhaltens des Hundes im Ring, indem wir etwa folgenden Fragestellungen nachgehen:
Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen Hund und Vorführer, zeigt sich der Hund aufmerksam und temperamentvoll, wie verhält er sich anderen Hunden gegenüber im engen Ausstellungsring? Wie reagiert er bei der Zahnkontrolle, kann ich als Richter den Hund problemlos abtasten?
Unabhängig vom Alter und der Größe sollten sich alle Hunde gegenüber Leuten, die für den Besitzer / Vorführer keine Gefahr darstellen – und dazu gehört auch der Richter – friedlich und ausgeglichen verhalten.
Gern berichten wir, dass das Verhalten der Dalmatiner innerhalb und außerhalb der Ringe im allgemeinen frei von Aggressionen ist. Besonders während der Beurteilungsvorgänge zeigen sich die Hunde recht diszipliniert, ruhig und gelassen und ebenso verhalten sich mehr oder weniger auch die Aussteller weltweit rücksichtvoll und sportlich fair. Wenn überhaupt, dann herrscht hin und wieder einige Bellfreudigkeit und eine gewisse Eigenwilligkeit der Hunde untereinander.
Ganz wichtig!: Wir dürfen nicht nur nach einzelnen Fehlern suchen und dabei die übergeordnete Bedeutung der Gesamtheit des Typs vernachlässigen. Wir haben z.B. Rüden, die sehr elegant wirken, so elegant, dass sie schon als „feminin“ zu bezeichnen sind. Analysiert man einen solchen Dalmatiner in allen Details, so wird man keine gravierenden Abweichungen vom Standard feststellen und dennoch fehlt ihm ein ganz entscheidendes Element, der rüdenhafte, maskuline Ausdruck und Habitus.
Übrigens, genauso verwerflich sind deutlich maskulin wirkende Hündinnen (umgekehrtes Geschlechtsgepräge).
Den körperlichen Mängeln in ihrer züchterischen Auswirkung unbedingt gleichzusetzen ist die Wesensschwäche eines Hundes. Die Wesensfestigkeit ist die Grundlage jeder Zucht und ganz besonders trifft das auf den Dalmatiner zu. Leider wird dies in der Praxis viel zu wenig beachtet.
Die Wesensfestigkeit ist die Grundlage jeder Zucht und ganz besonders trifft das auf den Dalmatiner zu. Leider wird dies in der Praxis viel zu wenig beachtet.
„Auch für uns Formwertrichter muss immer gelten, dass der Wert eines Hundes nicht in der Anzahl seiner Titel, sondern in der Qualität seiner Nachkommen besteht“.
Gisa Schicker